Die Sammlungen des materiellen und immateriellen Kulturerbes bilden die Basis der Museumsarbeit. Durch ihre Sammlungen unterscheiden sich Museen von allen anderen Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Sammeln und Bewahren sind aber kein Selbstzweck. Museale Sammlungen stehen (entsprechend der aktuellen ICOM-Definition) im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung zum Zweck des Erlebens, der Bildung und des Studiums.
Um im Dienste der Gesellschaft zu handeln zu können, müssen sich die Museen für die Bedürfnisse und Interessen, Sichtweisen und Perspektiven der Menschen interessieren. Wie finden Museen etwas über diese heraus? Was bedeutet dies für die Sammlungen und die Sammlungsarbeit? Muss sich der Umgang mit den Sammlungen in den Museen verändern, wenn sie ihnen verstärkt Bedeutung zumessen? Und wenn ja, wie? Viele demokratische Gesellschaften haben in den letzten Jahren eine verstärkte Hinwendung zu mehr Beteiligung und Partizipation erfahren. Gleichzeitig ist die Gesellschaft von zunehmender Diversität geprägt. Was bedeutet dieser Trend für die Sammlungsarbeit der Museen?
Verschiedene Museen stellen sich diesen Fragen bereits. Unter anderem hatte der Deutsche Museumsbund im Rahmen einer Ausschreibung um Ideen gebeten und 2018 sechs kleine experimentelle Projekte gefördert. Insbesondere im Kontext der Debatte um Museen, Migration und Diversität ist die Sammlungsarbeit aber schon länger ein wichtiges Thema und die Museen haben viele Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt:
Museen erproben neue Sammlungsstrategien und partizipative Formate beim Aufbau neuer Sammlungsbestände. Sie interessieren sich für die Perspektiven der potentiellen wie tatsächlichen Besucherinnen und Besucher auf die bestehenden Sammlungen. Sie sichten diese häufig mit Hilfe partizipativer Methoden neu. Museen reflektieren ihren eigenen Umgang mit ihren Sammlungen, machen ihn ihren Besucherinnen und Besuchern gegenüber transparent und stellen ihn zur Diskussion. Manche ermöglichen den Besucherinnen und Besuchern einen direkteren Zugriff auf und neue Zugänge zu den Sammlungen.
Am 14. und 15. November 2019 möchten wir im Nordwestdeutschen Museum für IndustrieKultur – Nordwolle Delmenhorst über 60 Expertinnen und Experten aus den Museen und um die Museen herum zusammenbringen. Viele haben bereits Ideen entwickelt und Erfahrungen in diesem Feld gesammelt. Gemeinsam loten wir den aktuellen Stand der Debatte aus, diskutieren gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen und suchen Antworten auf offene Fragen. Dabei sind die Projekte, in denen neue Umgangsweisen mit den Sammlungen in den meisten Museen in der Regel erprobt werden, Ausgangspunkt der Diskussion; wir gehen aber einen Schritt weiter und fragen nach den Konsequenzen einer Hinwendung zu einer stärkeren Publikumsorientierung für die alltägliche Museumsarbeit:
• Braucht es neue Kriterien und neue Strategien für das Sammeln und das Entsammeln?
• Sammeln wir künftig andere Informationen zu den Objekten? Erforschen wir sie auf andere Weise und unter anderen Gesichtspunkten?
• Ergeben sich daraus neue Anforderungen für die Dokumentation von Museumsobjekten? Werden wir diesen mit den bestehenden Systemen gerecht?
• Müssen sich die Haltungen, die Arbeitsweisen und Strukturen verändern?
Diese Fragen werden intensiv in Kleingruppen diskutiert, damit alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Expertise und Erfahrungen einbringen können. Ziel ist es, Inhalte für ein Positionspapier als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen zu erarbeiten. Es leistet einen Beitrag zu den vom Deutschen Museumsbund in seiner Agenda 2019-2022 formulierten Arbeitsschwerpunkten „Umgang mit Sammlungen“ und „Attraktivität der Museen“.
Das Werkstattgespräch des Deutschen Museumsbundes findet in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Migration im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Projektes „Hauptsache Publikum!? Das besucherorientierte Museum“ statt.