Wie setzen Sie Transparenz und Partizipation bei Ihrer Sammlungsarbeit ein? Mit welchen Zielgruppen und Partnern arbeiten Sie zusammen?
Wir gestalten im Rahmen der Neupositionierung unseres Museums auch die Sammlungsarbeit neu und legen das Augenmerk verstärkt auf einen anderen Zugang zur Sammlungspflege. Wir planen ein neues Depot, das die Zugänglichkeit und Sammlungseinsichten erleichtern wird und konnten auch mit der Leitung Konservierung/Restaurierung eine wichtige neue Stelle besetzen. Um eine größere Sichtbarkeit und neue Zugänge zum Thema Konservierung zu befördern, organisieren wir im Januar kommenden Jahres mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes die internationale Tagung From Conservation to Conversation, in der es um Dekolonialisierung von Restaurierungs- und Konservierungskonzepten geht. Dazu gehören ein gemeinschaftlicher Umgang in der Bewahrung von Sammlungsgut wie auch eine Neubewertung von konservatorischen Auflagen um die Zirkulation von Objekten nicht zu behindern. Unser Ziel ist selbstverständlich, die Sammlung langfristig online zu stellen. Das ist in vielerlei Hinsicht ein ressourcenintensives Vorhaben, doch arbeiten wir intensiv darauf hin. Mit dem digitalen Wissensforum Digital Benin planen wir mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und einem internationalen Expertenteam innerhalb der nächsten zwei Jahre die infolge eines kolonialen Kunstraubs weltweit zerstreuten Benin-Kunstwerke online zusammenzuführen.
Mit welchen externen und internen Ansprüchen und Erwartungen, insbesondere in Bezug auf Transparenz und Partizipation, müssen Sie bei Ihrer Arbeit umgehen? Welche Handlungsspielräume stehen Ihnen am MARKK zur Verfügung?
Die mediale Debatte zum kolonialen Erbe thematisiert im Augenblick stark das wichtige Thema Restitution. Doch fehlt dabei oft ein Verständnis für die vielen Prozesse, die im Hintergrund laufen müssen um solche zu verhandeln, ermöglichen und umzusetzen. Für Außenstehende ist die Realität schwer vorstellbar und wird oft fälschlicherweise als Verzögerungstaktik der Museen missverstanden. Die Museumsarbeit muss aber knappe Ressourcen zwischen besucherrelevanten Ausstellungen und eher stillerer Sammlungspflege und -aufarbeitung aufteilen, zu der auch Provenienzforschung gehört.
Wo stehen Museen in Deutschland heute in Bezug auf ihren Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten? Welche positiven Entwicklungen sehen Sie? Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf bei den Museen, aber auch bei Trägern und Politik?
Die gesellschaftliche Debatte bringt einiges in Bewegung. Sie hat zur Bewusstseinsbildung beigetragen und politische Entscheidungen befördert. Deutschland steht im europäischen Vergleich sehr gut dar, vieles wurde bereits in die Wege geleitet. In Hamburg wird das Thema von der Kulturpolitik als prioritär angesehen. Die Debatte lenkt die Aufmerksamkeit auch verstärkt auf die Herausforderungen der Museen und stellt den Stellenwert und die Bedeutung von ethnographischen Sammlungen heraus. Diese Museen brauchen unbedingt mehr Ressourcen u.a. für die Erforschung und Online-Stellung der Sammlungen wie auch die Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften.
Was können Museen in Deutschland aus der internationalen Diskussion für die Gestaltung von Transparenz und Partizipation im Rahmen einer dekolonisierten Sammlungsarbeit, aber auch in weiteren Arbeitsbereichen, lernen?
Nachhaltige Kooperationen erfordern intensiven Beziehungs- und Vertrauensaufbau. Internationales Engagement, wie wir es beispielsweise im Rahmen von Digital Benin und auch dem Benin Dialog betreiben, ist hier von besonderer Bedeutung. Weltkulturen-Museen wie unseres müssen für ein lokales Publikum funktionieren, aber auch auf dem globalen Feld agieren. Wir engagieren uns in unterschiedlichen Projekten für einen intensiveren Austausch zum Thema Koloniales Erbe zwischen Nord und Süd. Nachdem 2018 die Auftaktkonferenz zu dem im Koalitionsvertrag festgelegten Ziel der Aufarbeitung des Kolonialismus im MARKK stattfand, hat das Museum unter anderem 2020 zusammen mit dem National Museum Tanzania, dem Goethe Institut und Berlin Postkolonial und der Unterstützung des Auswärtigen Amtes die Anschlusstagung Beyond Collecting. New Ethics for Museums in Transition in Dar es Salaam organisiert, in dem die Anliegen afrikanischer Museen sowie Dekolonisierungs- und Kollaborationspraktiken diskutiert wurden. Ein wichtiges Thema ist außerdem eine Diversifizierung der eigenen Museumsteams. Auch müssen mehr Möglichkeiten geschaffen und finanziert werden damit externe Wissenschaftler*innen aus Urhebergesellschaften ihre eigenen Forschungsinteressen an den Sammlungen verfolgen und diese in die Museumsarbeit einfließen können.