Der Museumsdienst Köln ist eine Einrichtung der Stadt Köln und verantwortet zentral die Bildung und Vermittlung in den neun städtischen Museen sowie darüber hinaus Marketing und Kommunikation für den Museumsstandort. Die städtischen Museen beherbergen stadt- und kunstgeschichtliche, historische und archäologische sowie außereuropäische Sammlungen. Das hier vorgestellte Projekt fand im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt (RJM) statt, dessen Dauerausstellung sich neben universellen menschlichen Themen wie Wohnen, Tod und Zugehörigkeit mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten über koloniale Gewalt und historisches Unrecht sowie die damit verbundenen Folgen beschäftigt.
Im Interview stehen der Projektleiter Dominik Fasel vom Museumsdienst Köln und der Sozialarbeiter Dennis Hartmann, der das Projekt maßgeblich mitentwickelt und begleitet hat.
Was zeichnet euer Haus aus? Wie beeinflusst es eure Arbeit?
Der Museumsdienst Köln ist eine der führenden Einrichtungen für Museumspädagogik in Deutschland. Als zentrale Einrichtung kann er neue Wege beschreiten, für die den einzelnen Häuser die Ressourcen fehlen würden. In den letzten fünf Jahren hat er sich verstärkt für kulturelle Teilhabe aller Kölner*innen eingesetzt. In der Vermittlungsarbeit standen Diversität, Inklusion, Lebenslanges Lernen und Outreach im Fokus. Der Museumsdienst arbeitet eng mit verschiedensten Kooperationspartner*innen und Akteur*innen der Stadtgesellschaft zusammen, um Projekte und Programme zu entwickeln und umzusetzen. Dabei sollen Menschen, die noch nicht zum Stammpublikum gehören, nicht nur Rezipient*innen von Ausstellungen und Bildungsangeboten werden, sondern diese nach ihren Bedürfnissen mitgestalten und selbst zu Akteur*innen im Museum werden. Hierfür ist das Projekt „Du bist dran – Museum anderes machen“, in dem 15 Jugendliche aus der Jugendhilfe zu den Themen des RJM gearbeitet und zusammen mit zwei Künstlern zwei Interventionen in der Dauerausstellung zu den Themen „Wissen“ und „Identität“ geschaffen haben, ein gutes Beispiel. Dies ließ sich gut mit dem Profil des RJMs vereinbaren, dass gezielt marginalisierte und junge Stimmen in die Ausstellung holen will und dies an verschiedenen Stellen bereits durch Interventionen getan hat.
Ihr habt ein Projekt im Rahmen von “Museum macht stark” umgesetzt. Was war das Besondere an der Kooperation? Wie kam sie zustande?
Das Besondere an unserer Kooperation war die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteur*innen aus der sozialen Arbeit, die direkt mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in herausfordernden Lebenslagen arbeiten: die NRW-Initiative „Kurve kriegen“ der Polizei, die neun Bezirksjugendämter der Stadt Köln und die Arbeiterwohlfahrt Köln mit dem Fachbereich Gewaltprävention. Diese Zusammenarbeit war für uns alle eine neue Erfahrung und hat sich als äußerst wertvoll erwiesen. Dadurch konnten wir gezielt Teilnehmende ansprechen, die von dem Projekt besonders profitieren konnten. Zustande kam die Kooperation durch Dennis Hartmann, der nicht nur die Idee für das Projekt hatte, sondern auch alle Kooperationspartner durch seine hauptamtliche und freiberufliche Tätigkeit kannte und zusammenbringen konnte.
Es waren fünf unglaublich intensive Projekttage. Die Teilnehmenden haben sich gut auf die Übungen und Methoden einlassen können und sind teilweise über sich hinausgewachsen, so dass sehr persönliche und authentische Kunstwerke entstanden sind. (Dennis Hartmann)
Welchen Fokus haben eure außerschulischen Angebote?
Empowerment, Teilhabe, Partizipation – diese viel genutzten Schlagworte versucht der Museumsdienst in seinen Angeboten zu leben. In diesem Projekt sind sie in außergewöhnlichem Maße umgesetzt: Jugendliche, die sonst wenig an (hoch-)kulturellen Orten in Köln sichtbar werden, kommen selbst zu Wort, greifen mit künstlerischen Mitteln in eine Ausstellung ein und vermitteln ihre Perspektiven auf die Themen der Ausstellung.
Projekte in Kooperation mit der sozialen Arbeit haben einen weiteren Schwerpunkt: Es ist hier besonders wichtig, dass die Teilnehmenden die Möglichkeit bekommen, ihre Potenziale zu erweitern und ihre eigenen Ressourcen zu entdecken und zu aktivieren. Das Museum dient dabei als spannender Rahmen. Wir sind fest davon überzeugt, dass solche Projekte nur dann wirklich erfolgreich sein können, wenn unterschiedliche Professionen zusammenkommen. Es geht darum, dass wir alle unsere verschiedenen Fähigkeiten und unser Wissen einbringen. Durch die Zusammenarbeit von Sozialarbeiter*innen, Museumspädagog*innen, Künstler*innen und Ehrenamtlichen entsteht ein facettenreiches Angebot, das den Teilnehmenden vielfältige Zugänge und Ausdrucksmöglichkeiten bietet.
Wie ist die Idee zum Projekt entstanden?
Die Idee zum Projekt entstand aus Dennis‘ langjährigen Erfahrung als Sozialarbeiter in Köln. Bereits in der Vergangenheit hat er zahlreiche Projekte mit dem Museumsdienst umgesetzt. Dominik war sofort begeistert von der Idee, gemeinsam ein Projekt für junge Menschen zu entwickeln, die momentan mit Sorgen, Ängsten, Krankheiten und Herausforderungen zu kämpfen haben.
Was braucht es (noch) für gute Projekte vor Ort?
Unsere Erfahrung ist, dass ein Projekt vor allem zwei Dinge benötigt: Als erstes braucht es eine starke Projektidee und ein starkes Team, welches fest davon überzeugt ist, dass die Inhalte so funktionieren können. Und dann ist es unverzichtbar, sich voll und ganz auf die Projektinhalte einzulassen. Das bedeutet, dass wir alle als Team genauso bei den verschiedenen sozialarbeiterischen und therapeutischen Übungen mitgemacht haben. Wir haben nicht nur sehr viel über die Teilnehmenden erfahren, die Jugendlichen haben auch sehr viel Persönliches von uns erfahren, aus unserem Alltag, aus unserer Biografie, auch unsere Sorgen haben wir zum Teil mit den Teilnehmenden geteilt. Wir glauben, dass diese Art der Zusammenarbeit und Offenheit der Schlüssel zu erfolgreichen Projekten ist. Wenn alle Beteiligten sich aufeinander einlassen und sich selbst öffnen, können wir tatsächlich tiefe Verbindungen schaffen und positive Veränderungen im Leben der Teilnehmenden hervorrufen.
Ich wollte nur mal danke sagen. Ich fand es so toll mit euch zusammen zu arbeiten, es war so cool. Wenn es nochmal so ein Projekt gibt, bin ich 100% wieder am Start. (Projektteilnehmerin)
Wie geht es weiter?
Gerne möchten wir die erfolgreiche Arbeit fortsetzen. Denn aus sozialarbeiterischer Sicht haben die Teilnehmenden enorm viel über sich, über die Gesellschaft und über das Leben gelernt. Dennis wird definitiv weiterhin solche Projekte entwickeln und umsetzen, weil sie einen echten Unterschied im Leben der jungen Menschen machen können. Der Vorteil an einer zentralen Einrichtung wie dem Museumsdienst ist, dass wir die städtischen Museen vernetzen und Synergien herstellen können. Vielleicht kann beim nächsten Mal eines der anderen Museen von der Kooperation profitieren.
Welche Rolle können aus eurer Sicht Museen spielen, um Stadträume positiv weiterzuentwickeln?
Unser Erfolg war auch nicht zuletzt dem Rautenstrauch-Joest-Museum zu verdanken. Wir haben uns von der Offenheit und Neugier der Kolleg*innen sehr unterstützt gefühlt. Die Bereitschaft, die Interventionen in der Dauerausstellung zuzulassen, ohne vorher zu wissen, was in dieser Woche entstehen würde, zeugte von viel Vertrauen. Der Arbeitsraum „SPACE4KIDS“ war ein Traum, in dem wir 5 Tage lang intensiv arbeiten konnten. Wir denken, dass Museen wie das RJM eine wichtige Rolle bei der positiven Weiterentwicklung von Stadträumen spielen können. Solche Projekte können positive Gefühle und Erinnerungen bei den Teilnehmenden auslösen, die diese zukünftig weiter positiv beeinflussen werden. Wir glauben, dass Museen sich als Treffpunkte für junge Menschen – als Dritte Orte – etablieren können und wichtige Beiträge zur sozialen und kulturellen Entwicklung von Stadträumen leisten können.
Wie sieht ein (intensiver) Projekttag aus?
Für uns waren alle fünf Tage des Projekts absolut intensiv. Warum? Weil wir uns mit den Teilnehmenden über sehr persönliche, intime und oft auch schmerzhafte Themen ausgetauscht haben. So ist im Projekt eine ehrliche und tiefe Verbundenheit entstanden. Wir waren in diesen fünf Tagen vielleicht seit langer Zeit mal wieder sehr nah bei uns selbst. Die Teilnehmenden haben sich voll und ganz auf das Projekt eingelassen, und dadurch entstand ein Raum, in dem lebensverändernde Arbeit möglich war.