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Krisen als Chance: Klimaschutzinitiativen in deutschen Museen

Die globale Energiekrise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, machte sich auch im deutschen Museumssektor bemerkbar. Als Reaktion wurden verstärkt Energiesparmaßnahmen in den Museen umgesetzt, empfohlen oder politisch angeordnet. Wie sich diese Maßnahmen in den ohnehin notwendigen Klimaschutz der Museen einfügen und welche kulturpolitischen Auswirkungen dies hat, untersucht die Journalistin Ricarda L. Otte in ihrer Masterarbeit. Diese Arbeit entstand im berufsbegleitenden M.A.-Studiengang Arts and Cultural Management an der Leuphana Universität Lüneburg.

Für die Arbeit mit dem Titel Cultural Policy Efforts Regarding Climate Action in German Museums: Insights from Three Major Cities in Times of the Energy Crisis wurden zuerst Medienpublikationen sowie diverse (Presse-)Statements der kulturpolitischen Player (Deutscher Museumsbund, Deutscher Kulturrat, Kulturpolitische Gesellschaft, Bundesbeauftragten für Kultur und Medien etc.) ausgewertet und so die drängenden Fragen in der sich damals abzeichnenden Energiekrise rekapituliert und skizziert. Der Fokus liegt auf dem Zeitraum August bis Dezember 2022 und den zu der Zeit befürchteten oder schon realen Auswirkungen auf die deutsche Museumslandschaft. Schlagzeilen wie „Für Bayerns Museen geht es jetzt ums Überleben“ (Süddeutsche Zeitung, 12. Oktober 2022) oder „Muss die Kunst das Licht ausmachen?“ (Monopol, 19. Oktober 2022) sind symptomatisch für diese Zeit, in der „mögliche Schließungsszenarien wie ein Damoklesschwert über den Museen“ schwebten, wie es David Vuillaume und Sylvia Willkomm aus der Sicht des DMB im Herbst 2022 formulierten („Die Krise als das neue Normal – Welche Auswirkungen hat die Energiekrise auf die Museen?“, Politik & Kultur, 11, S. 28).

Drei Museen, drei Kommunen und dreimal die Vogelperspektive

Vor dem Hintergrund dieser Recherchen wurden 2023 neun anonymisierte Interviews geführt mit Schlüsselfiguren, die sich aktiv dafür einsetzen, Museen dem Ziel der Klimaneutralität näher zu bringen. Konkret waren das:

  • drei Museumsmitarbeitende von Museen in öffentlicher Trägerschaft in drei deutschen Großstädten im Norden, Osten und Westen,
  • analog drei Personen in den Kulturverwaltungen in diesen drei Städten und
  • drei Expert:innen mit einem deutschlandweiten Fokus aus den Bereichen Kulturförderung, Lobby und Verbandsarbeit.

In der Interviewanalyse kristallisierte sich heraus, dass aufgrund der Energiekrise den Herausforderungen Klimaschutz und Klimaanpassung zwar erstmals die notwendige (mediale und politische) Aufmerksamkeit zuteilwurde, dass aber nach wie vor noch (zu) wenig passiert in puncto Climate Action. Einige der Gründe liegen in (strukturellen) Defiziten: So fehle es laut der Interviewten beispielweise an Handlungswissen, an Know-how, an Daten und Zahlen, an technischer Beratung, an finanziellen Mitteln, an Verbündeten und an einer kritischen Masse von Museen, die sich für den Klimaschutz engagieren und wichtige Botschaften aussenden, z. B. indem sie weniger Ausstellungen zeigen, mit weniger Leihgaben planen usw.

Agency als Kernelement für den aktiven Klimaschutz

Climate Action in Museen und ihrem kulturpolitischen Umfeld, das wird deutlich, erfordert vor allem den nötigen individuellen, aber auch kollektiven Handlungs- und Gestaltungsspielraum (Agency), Netzwerke und Allianzen, veränderte politische Rahmenbedingungen und die Verankerung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Museumsmanagement. Handreichungen wie der Leitfaden Klimaschutz im Museum sind daher ein wichtiger Schritt, um die Museen in ihrem Engagement zu stärken, zu informieren und zu begleiten. Auch Weiterbildungsangebote wie die vom Aktionsnetzwerk für Nachhaltigkeit in Kultur und Medien oder dem Institut für Zukunftskultur sollen diesen Defiziten entgegenwirken.

Um die Erkenntnisse aus den qualitativen Interviews zu visualisieren und zu zeigen, was es für effektive Climate Action braucht, wurde im Rahmen der Masterarbeit ein Climate Action Vehicle (CAV) entwickelt. Das Herzstück ist eine Art Steuerrad.

Um Agency zu erlangen, also tatsächlich über einen Handlungs- und Gestaltungsspielraum zu verfügen, bedarf es demnach verschiedener Komponenten, und Handlungswissen (Skills & Knowledge) ist nur eine davon. Politische Rahmenbedingungen (Framework Conditions), (interne) Strukturen, Allianzen und (intrinsische oder extrinsische) Motivation sind die anderen wichtigen Elemente, die am besten im Zusammenspiel wirken. In der Energiekrise dominierte finanzieller Druck als „neue“ Motivation, um vielfach längst überfällige Maßnahmen in Angriff zu nehmen.

Die Energiekrise, so wie auch die Klimakrise und beispielsweise Extremwetterereignissen wie die Flut im Ahrtal 2021 erhöhen also die Dringlichkeit (Urgency) für Climate Action. Agency ermöglicht dann, tatsächlich ins Handeln zu kommen, was teilweise auf Innovationen bzw. Exnovationen beruht (beispielsweise neuartige Materialien und Techniken, aber auch innovative Fördermöglichkeiten).

Das Engagement im Bereich Climate Action auch transparent, ansprechend und glaubwürdig zu kommunizieren, ist besonders in Museen wichtig, haben sie doch eine besondere Vorbild-Rolle inne und das Potential einer enormen Strahlkraft, die weit über ein mögliches Stammpublikum hinausreichen sollte. Wenn dann auch noch die politische Aufmerksamkeit und der Wille da ist, entsprechende Gelder bereitzustellen und die strukturellen Defizite anzupacken, also ein so genanntes Policy Window offensteht und von allen Playern genutzt wird, beschleunigt dies die Reise erheblich – hin zur klimaneutralen Zukunft der Museen.

Hier kann die komplette Arbeit heruntergeladen werden: https://doi.org/10.48548/pubdata-246