Wie die Gegenwartskunst, so entwickelt sich auch die Vermittlungsarbeit weg von einer Perspektive, die nur den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Vernetzung, Kollaboration, Diversität und Multiperspektivität werden relevanter. Die Vermittlung von Kunst und Natur erfordert neben intensiven Auseinandersetzungen mit aktuellen Diskursen und wissenschaftlichen Erkenntnissen auch sehr persönliche Beobachtungen, Beziehungen und Fragestellungen.
Der persönliche Naturbegriff
Zentral ist die Frage, wie der Mensch sich als Teil der Natur begreift. Die Künste und auch die Kunstvermittlung können dazu beitragen, das eigene Verhältnis zur lebendigen Welt auszuloten, sich ihr emotional, kognitiv und ästhetisch anzunähern und die vermeintliche Differenz zwischen Vernunft, Emotionalität und Spiritualität zu verhandeln.
Wie der Klimakrise begegnen?
In der künstlerischen Beschäftigung mit Natur sind die eigenen Emotionen zentraler Ansatzpunkt der Vermittlungsarbeit, um zum Beispiel der Trauer über den Verlust unserer Ökosysteme über das Artensterben und der Sorge vor den Kipppunkten Raum zu geben. Welche Position nehmen wir als Vermittler:innen in der Klimagerechtigkeitsdebatte ein, wie begegnen wir unseren eigenen Emotionen UND den Gefühlen von Teilnehmenden? Es geht um Haltung in den Feldern Kultureller Bildung und der Kunstvermittlung und unsere Verantwortung für das Gelingen der Zukunft. Ausstellungen müssen CO2-reduziert konzipiert und realisiert werden. Die Vermittlungsarbeit hat die Kraft, sich über den Einfluss des Menschen auf die Ökosysteme zu beschäftigen, diesen künstlerisch sichtbar zu machen und lösungsorientiert in die Handlungsfähigkeit zu gehen. In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gruppen von Besuchenden und in Projekten außerhalb der Kulturinstitution kann die Kunstvermittlung ihr eigenes Handeln unter Aspekten des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit überprüfen und neue Ideen und Perspektiven gewinnen.
Gemeinschaft und Zusammenhalt, Kollaboration und Aushandlung unterstützen den Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen, dem sich nur mit Mut und Verantwortung begegnen lässt.
Kulturelle Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Künste mit Elementen der »Bildung für nachhaltige Entwicklung« schafft Möglichkeiten, selbst Verantwortung zu übernehmen, sich aktuellen Herausforderungen zu stellen und kreative Lösungen für unser Zusammenleben zu finden. Selbstermächtigung, Zusammenhalt, Fürsorge und Mut zum Handeln sind wichtige Qualitäten für eine Gesellschaft, die sich nachhaltig in Bezug auf sich selbst verhält und zur Umwelt, in die sie eingebettet ist.
Publikationsreihe Blattwerke: Bildung – Kunst – Natur
Die Angebote des Museum Sinclair-Haus der Stiftung Kunst und Natur verfolgen das Ziel, Kreativität und sinnliches Erfahren zu fördern und die vertiefte Auseinandersetzung mit Kunst und Natur zu unterstützen. Über die Einladung zum selbstständigen Erleben, über Wertschätzung und Begeisterung will die Kunstvermittlung des Museum Sinclair-Haus dazu anregen, die eigene Rolle und Verantwortung als Teil und Gestalter:in der Welt zu reflektieren. Die Blattwerke des Museums bieten eine kostenlose Ideensammlung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die sich mit Hintergründen zu Kunstwerken und gesellschaftlichen Fragen rund um „Kunst und Natur“ auseinandersetzten möchten. Sie enthalten Anregungen, selbst kreativ zu werden, sich malerisch, zeichnerisch, schreibend oder musizierend mit Themen der Natur zu beschäftigen. Assoziative Zugänge sollen die Lust wecken, zeitgenössischer Kunst, Wissenschaft und Natur auf neuen Wegen zu begegnen und andere Perspektiven kennenzulernen – experimentell und assoziativ, philosophisch und kritisch. Die Blattwerke stellen Fragen als Anregungen zum Austausch und zu den Diskussionen über Natur, Kultur und Gesellschaft.
Foto: Anja Jahn, Frankfurt am Main
Kristine Preuß ist Leiterin der Kunstvermittlung im Museum Sinclair-Haus (Bad Homburg) der Stiftung Kunst und Natur. Schwerpunkt sind die vielschichtigen Verhältnisse des Menschen zur Natur, die in unterschiedlichen Formaten künstlerisch untersucht werden. Ästhetische Erfahrungen von Kindern und Erwachsenen in der Zusammenarbeit mit Künstler:innen, Musiker:innen, Tänzer:innen und Autor:innen werden u.a. in der Publikationsreihe „Blattwerke“ sichtbar. Sie ist Gründerin und Referentin der Fortbildungsreihe für Multiplikator:innen „Kreativ und organisiert. Impulse für nachhaltige Kulturprojekte an Schulen“ und Mitglied des Forschungsclusters „Interaktion und Partizipation“ des Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung.
Weitere Artikel von Kristine Preuß:
Kristine Preuß (2023): Berührbarkeit in der Kulturellen Bildung. Klimagerechtigkeit und gesellschaftliche Transformation im Spiegel von Kunst und Natur. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/beruehrbarkeit-kulturellen-bildung-klimagerechtigkeit-gesellschaftliche-transformation (letzter Zugriff am 07.03.2023).