Es ist wahrscheinlich das Wort des Jahres im Kulturbetrieb: Haltung. Museen, Festivals und Theater, Hochschulen und Bibliotheken sollen eine Haltung entwickeln und nach außen vertreten. Durch die Polarisierung der Kulturlandschaft, die sich nach dem 7. Oktober 2023 weiter zugespitzt hat, ist der Bedarf an Selbstverortung drastisch gestiegen. Wozu und wie man eine Haltung definiert, war Thema des Workshops.
Wir haben uns zunächst mit der veränderten Medienarchitektur beschäftigt: Durch die Digitalisierung sind der Kultur alle Sicherheiten verloren gegangen. In der alten Medienwelt des 20. Jahrhunderts hatte ein Haus die Kanäle halbwegs unter Kontrolle: Man eröffnete eine Ausstellung, druckte dazu einen Katalog und Begleithefte, gab eine Pressekonferenz. Man wartete die Kritiken ab, die Journalist:innen kannte man oft lange persönlich. Dem Publikum bot man ein Vermittlungsprogramm an, Besucher:innen konnten sich im Gästebuch zu Wort melden.
Diese gemütlichen Zeiten sind vorbei. Heute zirkulieren die Objekte des Museums in Form von Bildern auch im Netz; theoretisch kann jemand, sagen wir: in Australien, Anstoß an diesem Objekt nehmen und es auf einer großen Plattform wie X oder Instagram skandalisieren. Das Museum kann, wenn es schlecht läuft, von einem Shitstorm heimgesucht werden, obwohl die auslösende Person das vielleicht gar nicht wollte. Oft führt allein die Angst vor einer solchen Entwicklung zu Absagen, die dann als „Cancel Culture“ kritisiert werden.
Eine Haltung zu entwickeln heißt, diesen chaotischen Dynamiken ein festes Set an Selbstbestimmungen entgegenzusetzen. Wer genau weiß, warum und auf welcher Basis er eine:n Künstler:in einlädt, wird die Entscheidung auch dann verteidigen, wenn medialer Gegenwind aufkommt. Dazu gehören natürlich auch rote Linien: Eindeutig antisemitische oder rassistische Aussagen würde man zurecht „canceln“.
Im Workshop unterschieden wir zwischen Haltung 1 – das ist die Haltung, die sich aus den Aufgaben von Kulturinstitutionen direkt ergibt, im Sinne von „ein Gebäude unterhalten“. Und Haltung 2 – das wären Statements und Aktionen zu politischen Konflikten und Debatten. Mit etwa 30 Führungsleuten aus der Kultur diskutierten wir die beiden Sphären und ihre Zwischenzonen.
Bei den meisten Kulturinstitutionen, so kam es in der Debatte am Schluss heraus, ist der gesellschaftliche Auftrag ohnehin fest in „Haltung 1“ eingeschrieben. Gerade kulturgeschichtliche und lokalgeschichtliche Museen sind ja dazu da, Zusammenhänge der eigenen Historie zu begreifen und demokratisch diskutieren zu lernen. Ob darüber hinaus politische Stellungnahmen im Sinne von „Haltung 2“ eine gute Sache sind, darüber waren sich nicht alle Teilnehmenden einig – die Debatte geht weiter.