Die Sammlung als Alleinstellungsmerkmal
Museumssammlungen sind das gegenständliche kulturelle Gedächtnis der Menschheit und ihrer Umwelt. Museen sammeln originale Zeugnisse der Kultur und der Natur. Diese werden zu Forschungs- und Bildungszwecken bewahrt, dokumentiert sowie künftigen Generationen überliefert und zugänglich gemacht. Die Sammlungen bilden das Rückgrat eines jeden Museums; jede andere Kernaufgabe der Museumsarbeit baut auf den Sammlungen auf. Dies unterscheidet Museen von anderen Kultureinrichtungen.
Bestandteile der Sammlung
Die Sammeltätigkeit von Museen – eine kontinuierliche Fachaufgabe – lässt ein zielgerichtetes Handeln erkennen. Zur Sammlung eines Museums gehören alle analogen und digitalen Objekte, die im Inventarbuch der Museumssammlung erfasst sind. Leihgaben befinden sich nur temporär im Besitz des Museums und gehören deshalb nicht zur Sammlung. Bei der Gründung eines neuen Museums kann ein Ausgangsbestand der Sammlung bereits vorhanden sein (z. B. die historische Möblierung eines Hauses).
Rechtliche Grundlagen
Um diese Dinge zu bewahren und für die Museumsarbeit nutzen zu können, muss die Rechts- und Unterhaltsträgerschaft des Museums das uneingeschränkte, dauerhafte Verfügungsrecht zumindest am wesentlichen Kern der Sammlung innehaben. Privates Sammeln der Museumsbeschäftigten in Konkurrenz mit dem Museum, Handel mit oder Erwerb von ausgesonderten Museumsbeständen stehen in Widerspruch zu den international anerkannten ethischen und professionellen Grundsätzen für Museumsbeschäftigte.
Sammlungskonzept und Sammlungsbeschreibung
Jedes Museum benötigt ein Sammlungskonzept. Ein zentraler Baustein darin ist die Sammlungsbeschreibung. Diese benennt Bestandsgruppen, Sammlungsschwerpunkte und Kriterien, unter denen die Bedeutung und Bewahrungswürdigkeit der Sammlung eingeschätzt werden. Bei Museen, die bereits jahrzehntelang existieren, ist es hilfreich, eine Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Sammlung voranzustellen. Zusätzlich zeigt die Sammlungsbeschreibung, wie sich der Zweck bzw. die öffentliche Aufgabe des Museums in der Sammlung spiegelt und in welcher Beziehung die Sammlung zu handlungsleitenden Konzepten des Museums steht, wie etwa Leitbild, Forschungskonzept und Bildungskonzept.
Sammlungsentwicklung
Die große Mehrheit der Museen hat eine entwicklungsoffene Sammlung und benötigt eine plausible Verfahrensweise für den Erwerb weiterer Sammlungsgüter. Dies betrifft auch Museen, die über keine Ankaufsmittel verfügen oder die personell nicht in der Lage sind, Erwerbsgelegenheiten aufzuspüren.
Das Sammlungskonzept ist die Grundlage der Sammlungsentwicklung. Es bestimmt die Sammelstrategie, also das mittelfristig angestrebte Verhältnis der Museumssammlung zur Gesamtheit aller für das Sammelgebiet relevanten Kontexte. Dies drückt sich aus in einer erwünschten Sammlungsbreite, d. h. welche Vielfalt des Sammelgebiets aufgenommen werden soll, und Sammlungstiefe, d. h. mit wie vielen Varianten ein Gegenstandsbereich belegt werden soll. Kriterien, nach denen die Bedeutung der Sammlung eingeschätzt wird, dienen auch als Entscheidungsgrundlage bei Neuerwerbungen. Jedes Sammlungskonzept wirkt zudem auch in der Umkehrung: Was im Konzept nicht als sammelwürdig bezeichnet ist, wird nicht erworben.
Jeder Erwerb von Sammlungsstücken muss die geltenden Rechtsnormen befolgen, insbesondere jene, die einen Erwerb einschränken oder untersagen – z. B. Artenschutz, Kulturgutschutz, Diebes- und Raubgut oder ein anderer Unrechtskontext. Vor jedem Erwerb ist zu prüfen, ob die Ressourcen für den langfristigen Kulturguterhalt gegeben sind. Handlungsleitlinie jeder Erwerbspraxis sind die „Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM“.
Bei Neugründungen müssen zunächst die Beziehungen zwischen der künftigen Sammlung, dem Zweck bzw. der öffentlichen Aufgabe des Museums sowie den geplanten Arbeitsbereichen entschieden werden, bevor das Sammlungskonzept ausgearbeitet werden kann. Es verbessert die Sammlungsqualität und spart Ressourcen, das Vorhaben gleich zu Beginn mit in der Region existierenden Museen oder bereits bestehenden vergleichbaren Sammlungen abzustimmen.
Regelmäßige Sammlungssichtung
Sammlungskonzepte werden regelmäßig überarbeitet: Sammlungswachstum, neue Forschungsfragen und ‑erkenntnisse oder Vermittlungsanliegen verändern den künftigen Erwerbsbedarf einzelner Bestandsgruppen. Eine regelmäßige Sammlungssichtung muss daher sicherstellen, dass Sammlungsbeschreibung, Sammlungskonzept und die tatsächlich vorhandene Sammlung schlüssig aufeinander bezogen bleiben. Das Ergebnis der Sammlungssichtung kann dazu führen, das Sammlungskonzept grundlegend zu überarbeiten, die Sammlungsbereiche anders aufzuteilen oder Objekte darin anders einzuordnen. Auch ein Sammlungsbereich, der nicht mehr fortgesetzt werden kann oder soll, behält seinen Wert: für die Geschichte der Wissenschaften und des Museumswesens, die Geschichte der eigenen Institution sowie für neue Forschungs- und Vermittlungsansätze.
Im Zuge der Sammlungssichtung können Objekte identifiziert werden, die ohne Bezug zum Sammlungskonzept erworben wurden, zu denen alle grundlegenden Informationen fehlen, die die Bewahrungswürdigkeit durch materiellen Verfall verloren haben oder von denen nicht beherrschbare Gefahren für Menschen ausgehen. Im Anschluss an die Identifizierung folgt die Nachinventarisierung nach dem Prinzip „Aufwerten statt Entsorgen“: die vertiefte Recherche nach ergänzenden Informationen, um die Bedeutung des Objekts besser einschätzen zu können. Die Abgabe an Dritte oder Entsorgung erfolgt, wenn die Nachinventarisierung erfolglos bleibt.