Bei den von Xavier Rey, dem Direktor des Musée national d’art moderne-Centre de création industrielle (Centre Pompidou), eröffneten Arbeiten des deutsch-französischen Museumsdialogs legte der wissenschaftliche Rat des Projekts, der sich aus vier deutschen und vier französischen Fachleuten zusammensetzt, die Eckpunkte der Überlegungen für die kommenden zwei Jahre fest. Das Projekt wird sich insbesondere mit den folgenden vier Schwerpunkten befassen:
- Provenienzforschung und Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialem Kontext
- Bildung, Kulturvermittlung und Entwicklung des Publikums
- Digitale Nutzung und Verbreitung von Sammlungen
- Der Dialog zwischen Museen und den Akteuren der französischen und deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft im Museumsbereich
Der erste Schwerpunkt zur Provenienzforschung und dem Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten wird Gegenstand eines Treffens im Laufe des Jahres 2022 sein.
Die Direktorin der Abteilung für Völkerkunde Renate Noda aus dem Übersee-Museum Bremen und die Direktorin für Geschichte der Sammlungen im Museum du Quai Branly Anne-Solène Rolland betonten, dass es nicht nur die Idee sei, sich an der Archivarbeit oder an den Rückgabeverfahren zu beteiligen, sondern auch Feldarbeit zu leisten. Die Herausforderung bestehe darin, einen Weg zu finden, dieses Erbe durch Ausstellung, Digitalisierung oder Rückgabe zugänglich zu machen. Die Archivarbeit sei sehr zeitaufwändig, daher müsse die Zusammenarbeit zwischen den Museen intensiviert werden, um Richtlinien zu erstellen, die diese Arbeit unterstützen.
Die für den zweiten Themenkomplex zuständigen Experten, Paul Lang, Generaldirektor der Museen der Stadt Straßburg, und Matthias Hamann, Direktor des Museumsdienstes Köln, sagten, dass sich die Beziehung zu Bildern verändert habe. Die Aufgabe des internationalen Dialogs bestehe darin, dem Publikum das Interesse an den Originalwerken wiederzugeben. Seit der Pandemie sogar noch mehr. Die Digitalisierung müsse als Werkzeug und nicht als Zwang gedacht werden. Die zweite Herausforderung bestehe darin, Kultur für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen.
Jean-François Chougnet, Direktor der Musee des Civilisations Europeens et Mediterranee, Experte für das Thema Nutzung von Digitalisaten betonte, die wichtigste Herausforderung sei die Finanzierung der Sammlungsdigitalisierung. Eine weitere bestehe darin, die Institution grundlegend zu verändern, um sie an das digitale Zeitalter anzupassen. Die Museumswelt sei in der Regel in eine lange Zeitschiene eingebunden, die Sammlungen seien für Jahre konzipiert, während sich die Technologie extrem schnell, innerhalb von Wochen oder Monaten, verändern.
Die Expertinnen für den Austausch mit der Kultur- und Kreativwirtschaft Margit Rosen, Direktorin der Abteilung Wissen, Sammlung und Archive, und François Nawrocki, Kurator in der Bibliothek Kandinsky, wiesen darauf hin, dass vor allem der Wille, sich langfristig zu engagieren, Museen von anderen Akteuren z. B. aus der Privatwirtschaft unterscheide. Wenn Museen Werkzeuge entwickeln, möchten sie, dass diese den Kulturakteuren helfen, eine technologische Hürde zu überwinden oder Ausstellungen, die der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich sind, verfügbar zu machen, was mit den Interessen der Privatwirtschaft nicht immer übereinstimmt. Die beiden Expert:innen betonten, dass heutzutage alle Museen gezwungen seien, multimediale Inhalte zu produzieren. 99 Prozent der Museen müssen Leute einstellen, die dies tun. Viele Museen möchten aber die produzierten Inhalte als Open Source behalten. Sie möchten dadurch der Öffentlichkeit zeigen, was sie mit ihrem Geld finanzieren. Die Frage der Open Source ist für Unternehmen nicht immer offensichtlich.
Die Einführung in die vier Themenschwerpunkte bildeten einen wichtigen Start in das Projekt und führten zu anregenden Diskussionen, die nun bei den Expertentreffen des Projekts fortgesetzt werden. Die von dem Wissenschaftsrat benannten Schwerpunkte in jedem der vier Themenbereiche des Projekts gestalten nämlich die Arbeitsgruppen der eingeladenen Expert*innen und bilden den wichtigen Ausgangspunkt für die konkrete Arbeit bei den Präsenztreffen des Programms.