Unter dem Motto „Ist weniger gleich mehr? – Museen zwischen Kulturkonsum und Kernaufgaben“ fiel der Startschuss für die BVT 2017 am Freitag den 03.03 im Deutschen Technikmuseum. Mit knapp 300 Teilnehmer*innen war die Tagung vom 3. – 5.03 in Berlin sehr gut besucht und die Hallen des Museums gut gefüllt. In seiner herzlichen Begrüßung appellierte der Hausherr Prof. Dr. Böndel an den Mut, die Kreativität und Mitsprache der künftigen Nachwuchskräfte. Das Programm der 27. Bundesvolontärstagung war reich bestückt und so erwartete die Gäste neben spannenden Präsentationen und Diskussionen, verschiedene Abendveranstaltungen und Führungen in Berliner Museen sowie ein BarCamp.
Den Auftakt machte die Podiumsdiskussion zum Thema „Was lange währt, wird endlich gut? Das Volontariat als Ausbildungsverhältnis“. Hier trafen die Sprecherin des AK Volontariats, Lea Friederike Schott, Ulrike Stottrop Vertreterin im Vorstand des DMB und dort Ansprechpartnerin für die Belange der Volontär*innen sowie Nicolas Rupp ebenfalls im AK Volontariat aufeinander. Frau Stottrop gab zunächst einen kurzen Überblick über die wichtigsten Neuerungen der Überarbeitung des Leitfadens für das wissenschaftliche Volontariat. Mit Hilfe der Fragebogenstudie des AK Volontariat 2016 verdeutlichte Nicolas Rupp die wichtigsten Modifikationen und belegte sie mit aktuellen Zahlen.
Im überarbeiteten Leitfadens wird es vor allem eine Neuerung geben: Das Wissenschaftliche Volontariat wird dort klar als Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetztes (BBiG) ausgewiesen. Damit verbunden ist die Verpflichtung, dass alle Volontariate mindestens zwei Arbeitsbereiche abdecken müssen und einem Rotationsprinzip folgen. Wesentlicher Angelpunkt ist hier, dass in Zukunft jedem wissenschaftlichen Volontariat ein Ausbildungsplan zu Grunde liegen soll. Entsprechende Musterpläne werden zusammen mit dem Leitfaden bereitgestellt. Die aktuellen Zahlen verdeutlichen, dass 46 % der Volontär*innen nur die Gelegenheit erhalten, in andere Abteilungen reinzuschnuppern, weil sie dies in Eigeninitiative organisieren und lediglich 24% über einen Ausbildungsplan verfügen. Weitere Diskussionspunkte waren die Themen Vergütung und Promotion. Noch immer gibt es unterschiedliche Bemessungsgrundlagen, wie die Umfrage ergab. 56% der Volontär*innen verdienen 50 % von TVöD und 8% der Befragten 40% von TVöD, 9% erhalten ein Gehalt in Anlehnung an Beamtenwärterbezüge und 10% den Mindestlohn. Obwohl die Situation der Gehälter noch sehr unterschiedlich ist, sind über 55% der Teilnehmenden der Umfrage zufrieden mit der Betreuung ihres Volontariats. Auf die Frage von Lea Schott zur Promotion als Einstellungsvoraussetzung für ein wissenschaftliches Volontariat erfolgte eine hitzige Diskussion in der Frau Stottrop unterstrich, der DMB würde diese empfehlen, sähe diese aber nicht als zwingende Voraussetzung für ein wissenschaftliches Volontariat. Letztendlich konnte die Frage zu keinem Konsens führen, deutete aber bereits auf ein Umdenken in den Köpfen hin. Nach einer kleinen Stärkung und der Wahl des neuen AK Volontariats erwarteten die Gäste gespannt die Inspiration Talks zum Tagungsthema:
Ist weniger gleich mehr?! Eine kritische Betrachtung der Museumslandschaft
Alle glauben zu wissen, dass nur wer wächst nicht stirbt. (…) Wir haben in der Kunstwelt, wie im Kapitalismus, nun seit 1990 nur auf Wachstum gesetzt: mehr Museen, mehr Anbauten, mehr Ausstellungen. Ich finde, das ist genügend Zeit, um zurückzublicken und zu sagen: Wir sehen, dass da Entwicklungen falsch laufen.
Prof. Dr. Christiane Lange (Direktorin Staatsgalerie Stuttgart) in der FAZ
Mit diesem Zitat startete Armin Klein, vormals Professor am Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg und Autor von „Der Kulturinfarkt“ (2012), in seinen Vortrag und ist damit gleich bei der Kernfrage seines Vortrags angekommen: Wie lässt sich das kontinuierliche Wachstum des Museumsmarktes bewerten? Positiv zu verzeichnen seien die stetig steigenden Besuchszahlen, wie sie vom Institut für Museumsforschung erfasst werden. In größerem Maße als diese sind es jedoch die Museumsangebote, die sich, wie Armin Klein feststellte, seit den 1970er Jahren explosionsartig vermehrt haben. Neben Museumsneugründungen und Erweiterungen bestehender Museen, sei auf dem Museumsmarkt vor allem ein Zuwachs im Bereich der Blockbusterausstellungen zu beobachten. So müsste ein/e Besucher*in, wie in dem eingangs verwendeten Zitat dargestellt, 9,3 Ausstellungen am Tag besuchen, um allein alle Kunstausstellungen in Deutschland sehen zu können. Hinzu kommen neue Akteure wie Privatsammler*innen und Firmenmuseen, die wie Klein beschrieb, die Konkurrenz auf dem Museumsmarkt zusätzlich verstärken. Das Wachstum zeige sich jedoch nicht allein in einer Zunahme des Angebots, sondern darüber hinaus in einer Zunahme der von den Museen zu bewältigenden Aufgaben. So sei in den Museen neben den Kernaufgaben heute immer häufiger auch von Themen wie Kulturtourismus, Digitalisierung und Wirtschaftsförderung die Rede.
Einen Ausweg aus der Wachstumsspirale sieht Armin Klein in der Stärkung des subjektiven Museumserlebnisses. So bietet das Museum wie Klein in Anlehnung an Kotler/Kotler (1998) darstellte verschiedene Erlebnisdimensionen wie das Soziale Erlebnis, das Lernerlebnis oder das Verzauberungserlebnis. Diese Erlebnisse zeichnen sich dadurch aus, dass sie individuell, emotional und nachhaltig sind. Daraus folgend ergibt sich für Museumsmacher*innen, wie in einer Masterarbeit zum Thema dargestellt (Kölling: 2015), eine große Palette an Möglichkeiten das Erlebnis in Ausstellungen zu stärken. Entgegen dem verbreiteten Streben nach „einem immer mehr“ plädierte Armin Klein am Ende seines Vortrags dafür sich in der Museumsarbeit auf konkrete Aspekte zu fokussieren und im Sinne einer zukunftsfähigen Museumslandschaft ein klares Profil zu entwickeln.
Ist weniger gleich mehr? Wie viele Sonderausstellungen schafft ein Museum
Anknüpfend an den Vortrag von Armin Klein hielt Frau Anja Dauschek, Direktorin des Altonaer Museum Hamburg, einen Inspiration Talk mit dem Schwerpunkt Sonderrausstellungen. Ihre einleitenden Worte griffen die immer noch andauernde Frage zwischen der Popularität von Sonderausstellungen und der stiefmütterlich behandelten Dauerausstellung auf. Als Eingangsbeispiel bezog sie sich auf die damalige Blockbuster-Ausstellung „Das MoMa in Berlin“, welche zu einem großen Besucher*innenandrang führte. In diesem Zusammenhang merkte sie an, dass Sonderausstellungen im Allgemeinen als „Währung“ des Museums gehandelt werden und oft das Image von kulturellen Institutionen stark beeinflussen. Obwohl Sonderausstellungen einen positiven Effekt auf Kulturbetriebe haben, stellte sie kritisch fest, dass die „Triebfeder“ für diese nicht von „kuratorischer Eitelkeit“ herrühren sollte. Diesen Umstand verdeutlicht sie an einem Haus, welches jährlich bis zu 18 Sonderausstellungen absolviert. Das fatale an diesem Beispiel sei, dass die Mehrheit der Sonderausstellungen sich in Themen und Gestaltung ähneln. Im Zuge dieser Darstellung warf sie eine immer noch andauernde Problematik auf, bei der die Relevanz von Sonderausstellungsthemen zum Verhältnis der Museumsbesuche konterkariert. Als Evidenz zitierte sie Patrick S. Föhl. Er ermittelte, dass eine Gesamtzahl von 50 % der Besucher*innen Museen besichtigen, worunter 20% – 25% Gelegenheitsbesucher*innen und 10% – 15% „Hardliner“ fallen. Sie appelliert an das Publikum der BVT, Bewertungsportale zu beobachten, um ein Stimmungsbild von potenziellen Besucher*innen zu ermitteln. Um diese zu generieren ging sie auf die Publikation von Nora Wegner (2015) ein. Hierin wird verdeutlicht, dass Dauerausstellungen an Relevanz gewinnen können, indem neue Fragestellungen zu den Objekten involviert werden.
In ihrem Fazit stellte Frau Dauschek sehr deutlich heraus, dass für die Besucher*innen nicht zwangsläufig die Inhalte wichtig sind, sondern vielmehr der Service und die eigene „innere Erlebnisuhr“. Im Rahmen vielfältiger Freizeitaktivitäten wägt das Publikum an Hand von verschiedenen Parametern ab, ob sich ein Besuch im Museum lohnt. Darunter fallen unter anderem die Größe der Ausstellung, die Anfahrtszeit, der Anfahrtsweg sowie die Eintrittspreise. Letztere werden in der Regel mit anderen Freizeitaktivitäten, wie einem Kinobesuch von 1,5 h für 9 Euro verglichen. Im Schlusswort betonte sie, dass es keine „Standardrezepte“ für die makellose Besucher*innenorientierung gibt, aber es immer darum geht ein befriedigendes Erlebnis zu schaffen.
Ist weniger gleich mehr? Sammeln mit Bravour – Zwischen proaktivem Sammeln und Sammelsurien
Léontine Meijer-van Mensch begann ihren Vortrag mit der Feststellung, dass die wachsenden Sammlungen der Museen und damit mehr Objekte zwar einen Zuwachs an Erkenntnissen bedeuteten, jedoch wird schon seit Jahrzehnten diskutiert, wann Sammlungen eigentlich zu groß sind. Mit dem Schlagwort „the cost of collecting“ machte sie darauf aufmerksam, dass die Kosten des Sammelns weit höher sind als die Kosten der Anschaffung. Wie Sammlungen also rationell neu gedacht werden können, fragte Léontine Meijer-van Mensch und erläuterte am Beispiel der Niederlande, wo seit den 1990er Jahren alle einzelnen Sammlungen als eine große nationale Sammlung verstanden werden, wie verschiedene Museen neu über ihre Sammlungsentwicklungen und Ausstellungen nachdachten. Weiterhin stellte sie den „Delta-Plan“ für Sammlungen vor, nach dem sich eine museale Sammlung in vier Bestandteile aufteilen lässt:
Teil A (etwa 22%) – wichtigster Teil der Sammlung auf den oft für Ausstellungen zurückgegriffen wird
Teil B (etwa 44%) – ebenfalls wichtiger Teil der Sammlung, der jedoch nicht im Fokus steht und auch für Leihgaben genutzt wird
Teil C (etwa 32%) – Vermittlungssammlung
Teil D (etwa 1%) – passt nicht (mehr) in das Sammlungsprofil, kann eher entsammelt werden.
Bei der Sammlungsentwicklung sollte beachtet werden, dass Sammlungen nicht statisch sondern dynamisch sind und dass ihr Nutzwert oder Potential auch das Entsammeln einschließt. Davor braucht es jedoch im Vorfeld ein Museumsleitbild und ein Sammlungsprofil. Beides kann sich ebenfalls ändern und zieht eine Anpassung der Sammlungen nach sich. Als klaren Vorteil des Entsammelns benannte Léontine Meijer-van Mensch die Fokussierung und Verbesserung der Sammlungen. Neue Sammlungsstrategien könnten sich dabei an folgenden Schwerpunkten orientieren: in situ (am Ort), in Kontext und in Funktion. Anschließend stellte sie die Idee des „liquid museum“ von Dr. Fiona Cameron (Western Sydney University) vor, die damit die „dissolution of the museum’s existing institutional structures and boundaries“ beschreiben will. Demnach ist das liquid museum „no longer solely conceived as hierarchical, closed or fixed to a physical location“. Léontine Meijer-van Mensch beendete ihren Input mit dem Hinweis, dass das Entsammeln im Vorfeld eine sehr gute Dokumentation und Festhalten der Objektbiographie braucht, damit die Provenienz der Objekte nicht verloren geht. Von den Museen und den Mitarbeiter*innen wünschte sie sich mehr Mut und weniger Angst, Neues anzugehen.
In alter Tradition folgte am Abend ein gemütliches Get Together in der Berlinischen Galerie. Hier konnten die Volontär*innen bei Suppe, Drinks und Musik sich untereinander austauschen sowie mit den Landessprecher*innen der Arbeitskreise aus den unterschiedlichen Bundesländern in Kontakt treten. Das Highlight bildete das zum zweiten Mal verliehene „Goldene V“, welches im Rahmen exzellenter, vorbildlich geführter Volontariate vergeben wurde. Wir gratulieren den diesjährigen Gewinnern der DASA Arbeitswelt Ausstellung und dem Landesmuseum Württemberg.
Das Barcamp – 45 Themen, die euch bewegten
Das Herzstück der Tagung bildete das Barcamp am Samstag, den 4. März. Barcamps, auch „Unkonferenzen“ genannt, unterscheiden sich deutlich von klassischen Vortragsformaten. Anstelle gebuchter Referent*innen, wurden hier die Teilnehmer*innen selbst mit ihren eigenen Themen aktiv. Treffpunkt am Vormittag war das Deutsche Technikmuseum. Nach einer Einführung in die Grundprinzipien des Barcamps, konnte jede/r Volontär*in ein Thema zur Diskussion stellen, das am Nachmittag in Kleingruppen diskutiert werden sollte. Professionell angeleitet wurde der Programmpunkt durch den erfahrenen Barcamp Organisator- und -Moderator Jan Theofel.
Am Nachmittag wechselten die Teilnehmer*innen ins Jüdische Museum. Dort trafen sich die unterschiedlich großen Gruppen für ihre Diskussion in insgesamt vier Sessions von jeweils 45 Minuten. Insgesamt wurden 45 Themen diskutiert, beispielsweise „Wie reduziere ich Objekte in einer Ausstellung?“, „Promovieren im Museum“ oder „Volontariat und Kind“. Dokumentiert wurden die Ergebnisse auf einem einseitigen Protokollbogen. In einer 30minütige Finissage hatten die Teilnehmer die Möglichkeit sich in großer Runde über die Diskussionen am Tag auszutauschen und konkrete Anknüpfungspunkte für die weitere Arbeit im Museum zu definieren.
Das Team der BVT 2017 dankt Allen für die engagierte Teilnahme. Ein besonderer Dank geht an die Referentinnen und Referenten sowie Jan Theofel. Ehrenamtlich organisiert, ist die BVT ohne Partner*innen und Unterstützer*innen nicht denkbar. Ein großer Dank geht deswegen an die diesjährigen Veranstalter: das Deutsche Technikmuseum Berlin, das Jüdische Museum Berlin und die Berlinische Galerie. Weiterer Dank für die Unterstützung geht an die Staatlichen Museen zu Berlin und den Deutschen Museumsbund.
Das Organisationsteam der BVT 2017 dankt herzlich für die rege Teilnahme und Beteiligung, v.l.n.r: Florian Müller (Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin), Kim Mildebrath (Berlinische Galerie), Maria Obenaus (Staatliche Museen zu Berlin), Julia Schubert (Berlinische Galerie), Sandra Stahl (Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin), Rebecca Lepadus (Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin), Stephanie Thom (Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin), Kristin Witte (Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten), Melanie Kölling (DMB), David Studniberg (Jüdisches Museum Berlin)